Weihnachtswunsch für Klärchen von Eduard Mörike
Ob dir’s auch ohne das beschieden sei.
Der Nussbaum spricht:
Jetzt sieht man Büblein, Mägdlein warten,
Auf einen schönen Christkindgarten;
Da stellt man in die Mitt’ hinein
Ein Tannenreis in Lichterschein:
Da hängt viel Naschwerk, Marzipan
Und sogar güldne Nüss’ daran.
Doch sind die Nüsse dürr und alt,
Die grünen Zweige welken bald:
Das Bäumlein kann halt nicht verhehlen
Dass Leben ihm und Wurzeln fehlen.
Ein kluges Kind hat das bald weg,
Und ist `gessen erst der Schleck,
Dann ist ein solcher Baum veracht’t,
Sein Glanz und Lust war über Nacht.
Schaut her! Da bin ich meiner Sechs!
Doch ganz ein anderes Gewächs.
Mich lud der Freund in seinem Garten,
Dem blonden Kinde aufzuwarten.
Und grüßte sie im warmen Stübchen,
Allein das schickt sich doch nicht ganz:
Ich bin ein gar zu langer Hans;
Drum bat ich sie zu mir heraus.
Zwar steh ich kahl und ohne Strauß,
Doch wart! Es kommt die Sommerzeit,
Da ist’s, wo unsereins sich freut,
Da wick’l ich los mein würzig Blatt,
Es sieht kein Menschenaug’ sich satt,
Die Vögel singen in meinen Zweigen,
Und alles, Schätzchen, ist dein eigen.
Und hast du mir es heut verziehn,
Dass ich nun bloß von Früchten bin,
So bring’ ich dir gewiss und wahr
Ein Schürzlein Nüsse Jahr für Jahr.
Eduard Mörike, Weihnachtswunsch für Klärchen
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