Die drei Opfergaben von Alban Stolz
Ich weiß nicht, warum mir der heilige Dreikönigstag so absonderlich jedes Mal gefallen will. Es ist, wie wenn dieses ein Tag wäre, welcher unter den andern Tagen im Jahr, wie der Morgenstern unter dem Haufen der andern Sterne, feuriger und holdseliger leuchtet. Und wenn einer fromm ist und sich besinnt, so fallen ihm am heiligen Dreikönigstage auch besonders liebliche Gedanken ein. Gleichsam als wenn sie an diesem Tage ein großes Gastmahl für die heiligen drei Könige im Himmel hielten. Da fielen Bröselein herunter und fielen in den Kopf und in das Herz frommer Christen hinein und sahen da aus wie schöne Gedanken und Anmutungen.
Wir wollen sehen, ob wir nicht auch eines auffangen:
Zuerst wollen wir das Kästlein aufmachen, was der erste König mit dem Bart in der Hand hält. Es ist Gold darin. Hast du auch Gold? Vielleicht so ein altes Stück in einem Papierlein eingewickelt? Und wenn du jetzt kein namhaftes Stück Geld hast, so werden schon wieder Zeiten kommen, wo du etwas kriegst. Was ist jetzt, wenn du zu Lebzeiten der heiligen drei Könige gelebt hättest und hättest gewusst, was das Kind in dem Städtlein Bethlehem, das Kind der armen Jungfrau, was es für ein Kind sei? Was ist, hättest du dein Herz verschlossen gegen das arme königliche, göttliche Kind? Hättest du ihm nicht auch gern dein Goldstück geopfert und hättest dir noch eine Freud und Ehre daraus gemacht? Ja, wenn du auch sonst zäh bist und lieber nimmst als gibst, so hättest du vielleicht doch in den Sack gelangt und hättest das vornehmste Geldstück hergegeben.
Du hättest gedacht: Es ist gescheit, wenn ich dem Kind ein rechtschaffenes Geschenk mache. Es wird ganz gewiss einmal mir tausendfach vergelten, was ich ihm jetzt in seiner Armut gebe, wenn es einmal groß ist und ein Herr und ein König! – So hättest du gedacht. – Und mancher denkt: Ja, da gäb ich viel darum, wenn ich das arme Jesuskind selber gesehen hätte und hätte ihm etwas schenken dürfen. Ich wollte ja gern nichts dafür, wenn es etwas von mir angenommen hätte. Das tät mir mein Lebtag lang die größte Freude machen! – Nun halt einmal, ist es wahr, macht es dir so große Freude? Und wünschtest du so sehr, dem Jesuskinde etwas zu schenken? Ist das gewiss wahr?
Wenn es so ist, so weiß ich etwas für dich. Denk nur, ich weiß einen Ort, wo man das Jesuskind noch antreffen kann, und wo es noch so arm ist. Es ist nicht weit. Sieh, der Herr hat gesagt: „Was ihr dem Geringsten meiner Brüder tut, das tut ihr mir. Und wer ein Kind in meinem Namen aufnimmt, der nimmt mich auf!“ – Wenn du daher einem armen Kranken einen Groschen schenkst, so ist das, wie wenn du ihn Jesus in seiner Armut geschenkt hättest.
Auch wenn du ein Schuhmacher bist und einem armen Kind, das bei der Kälte barfuss läuft, ein Paar Schühlein machst umsonst, so ist das gerade soviel, als wenn du dem barfüßigen Kind Jesus ein Paar Schuhe geschenkt hättest. Und es ist auch in allen andern Dingen ebenfalls so, was man Jesus wegen den Armen gibt und tut. Dazu ist es nicht einmal wahr, dass es gerade so ist, wie wenn man es Jesus getan hätte. Es ist noch besser. Denn es hat noch ganz besonders deshalb einen guten Geruch, weil man Jesus so aufs Wort geglaubt hat und auf seine Anweisung hin, die er vor achtzehnhundert Jahr im Gelobten Land gegeben hat, heute noch einem Armen ein Stück Geld schenkt. – Vergiss nicht, dass du am heiligen Dreikönigstag dich etwas kosten lassest und machest, wie sie es gemacht haben, und dem armen Kind Jesus Gold oder Silber oder sonst Geldeswert opferst! –
Was hat denn der andere heilige Dreikönig in dem Ding drin, das so raucht? Es soll Weihrauch bedeuten. Du tätest es von weitem schon riechen, wenn der Bildermacher auch den guten Geruch abbilden könnte. Weihrauch aber opfert man nur Gott. Die heiligen drei Könige müssen sonach gemerkt und geglaubt haben, dass in dem Kind etwas Göttliches sei. Das haben sie auch schon dem Stern ansehen können. Denn wegen eines gemeinen Menschenkindes wird kein besonderer Stern am Himmel aufgezündet. Und doch, wo sie in das Städtlein kommen und das Häuslein sehen und in die Stube hineintreten und die Mutter und das Kind antreffen, so sieht auch da alles gar zu armselig aus. Und man muss sich schier verwundern, dass diese Männer nicht zweifelhaft geworden sind in ihrem Kopf und nicht zueinander gesagt haben: „Wir müssen irre gegangen sein. Das wird das rechte Kind und das rechte Haus nicht sein!“
Sie haben sich nicht scheu machen lassen von dem Auswenigen und haben treu und fromm das Kind angebetet und ihm Weihrauch geopfert. Und das ist gerade besonders schön an diesen edlen Männern gewesen, dass ihr Glaube nicht schwächlich am Außenwerk erst sich heben und halten hat müssen, sondern frei und stark weiter sah, als die Augen des Leibes sahen. Sie sahen im armen Kinde den König und ewigen Gott. – Sieh nun, du Christ! diese edle Glaubenstat kannst du auch täglich üben. Christus erschien den drei Weisen als ein geringes Kind. So erscheint er dir als eine geringe Hostie in der heiligen Messe oder Monstranz. Glaube und schaue und bete auch du an, wie es die drei Weisen getan haben. So treu und fromm und innig, und du wirst ihn dann auch schauen ewiglich.
Der dritte hat auch so ein Gefäß wie der zweite. Es ist aber etwas anderes drin; es sei Myrrhen gewesen, sagt die Schrift. Das ist so eine kostbare Spezerei, wie sie in den heißen Ländern wächst; man braucht sie, um vornehme Tote einzubalsamieren. Ich wollt aber darauf wetten, der dritte hat selbst nicht recht gewusst, warum er gerade Myrrhen geopfert hat. Aber Gott hat es gewusst und es ihm eingegeben. Es war eine schöne Zeremonie, die der Weise geübt hat, ohne zu wissen, was es bedeutet. Hintennach wissen wir Christen es. Es soll bedeuten, dass das arme Kind einem bittern Tod geweiht sei. –
Mach dir jetzt selber noch vollends deine Gedanken, und gib acht, ob dir nicht auch noch einige Gedankenbröselein einfallen. Wirf sie nicht weg; sie kommen vielleicht von oben, und tu danach. Vergiss mir aber auch das Opfer nicht an Gold oder Silber für das arme Kind Jesus Christus! –
Alban Stolz, Die drei Opfergaben
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