Lied unterm Christbaum von Leopold Matthias Schleifer
Ich stand mit dir am Altare,
Geschmückt mit der Myrte Strauß;
Der Priester im weißen Talare
Sprach Segen über uns aus;
Ich stand mit dir am Altare
Im Hochzeitkerzen-Glanz,
Da flochten sie mir in die Haare
Der Rosen duftenden Kranz.
Der Rosen ? — wie sollt‘ ich’s nicht glauben!
Schön blühten sie, die mich geschmückt;
In Paradieseslauben
Wird keine schön’re gepflückt.
Wohin mein Fuß getreten,
War Gottes Erde so schön!
Mit Frühlingsblumen-Tapeten
Behangen Täler und Höh’n:
Da kniet‘ ich vor Gottes Throne,
Da stieg mein Gebet am Altar:
Gib bald mir noch eine Krone
Die Mutterkrone in’s Haar!
Er winkt — sie sollte mir werden!
Die Freude erdrückte mich;
Von allen Müttern auf Erden
Die glücklichste war ich.
Nur einmal wollt‘ es mir scheinen,
Als wende mein Engel sich ab,
Und deute mit stillem Weinen
Auf einen Kranz und ein Grab.
Da sucht‘ ich schnell in den Locken;
Mein Kranz von Rosen war hin!
Ich fand —wie bin ich erschrocken!
– Nur Dornen des Todes darin.
O du, den die Engel loben,
Zu dem ich gesteht und geweint,
Du Vater im Himmel droben,
So war die Krone gemeint?
Hetzt schon soll hinaus ich scheiden,
Die finstere Straße zieh’n?
Soll zieh’n, in der Locke von Seiden
Den Strauß von Rosmarin?
Jetzt schon soll ich einsam wallen
Den mitternächtlichen Gang,
Noch ehe des Kindes Lallen,
Der Name: Mutter! mir klang?
Es sei! es geschehe dein Wille!
Ich habe gehofft und geglaubt;
Nun bring' ich mein Opfer stille,
Und nehme die Krone vom Haupt.
Als Dornenkrone zu prangen,
Hab' ich sie, mit Wehmuth betaut,
Am Christbaum aufgehangen,
Nicht mehr in den Locken der Braut!
Du mein Geliebter, wasche
Mit deinen Tränen sie rein;
Erst Braut — dann Mutter— nun Asche —!
Mein Liebster — vergiß nicht mein!
Dein Schmerz, deine Liebe soll dauern,
So lange ein Herz dir schlägt!
Doch lerne, als Mann zu trauern,
Der würdig sein Schicksal trägt.
Hier finden sich die Verlornen!
Die Gräber modern sich hohl!
Der Erde Pfad ist voll Dornen!
Freund, sei ein Mann! Leb' wohl!
Leopold Matthias Schleifer, Lied unterm Christbaum
Das Gedicht finden Sie im Buch der Weihnachtsgedichte oder auch hier
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