Der schönste Baum

Der schönste Baum von Karl Gerok

Drei Lieder vom Christbaum – II.

Joh. 3, 16. – Also hat Gott die Welt geliebt.

Sag an, wie heißt der schönste Baum
Auf weitem Erdenrund,
Seit einst im Paradiesesraum
Der Baum des Lebens stund?

Die Palme grüßt im Morgenland
Des Pilgers Aug‘ entzückt,
Wenn ragend er im Wüstensand
Ihr hohes Haupt erblickt.

Schön ruht sich’s an der Eiche Fuß,
Wenn durch den grünen Wald
Der Jägerschar des Waldhorns Gruß
Zum muntern Mahle schallt.

Die Linde glüht im Abendglanz,
Umweht von Blütenduft,
Wenn durch das Dorf zum Erntetanz
Des Spielmanns Fidel ruft.

Doch schöner glänzt im Kerzenschein
Der Tannenbaum fürwahr,
Wenn nun der Vater ruft „herein!“
Der frohen Kinderschar.

Wenn dann ins lichte Heiligtum
Geblendet und entzückt,
Vor Freude bang, vor Staunen stumm,
Das Kindervolk sich drückt;

Wenn wonnevoll der Eltern Blick
Sich ans die Kleinen senkt
Und an der eignen Kindheit Glück
Mit süßer Wehmut denkt.

Da blüht in finstrer Winternacht,
Umstarrt von Schnee und Eis,
Ein Frühling auf in bunter Pracht
Am dunkeln Tannenreis.

Da bringt der schlichte Tannenbaum
Des Paradieses Glück,
Der ersten Unschuld Kindheitstraum
Der armen Welt zurück.

Und draußen blickt der Sterne Schar
Mit wunderholdem Schein
Wie Engelsangen licht und klar
Vom Himmel hoch herein.

Und aus der Himmel Himmel sieht’s
Herab mit Vaterblick,
Und durch die dunkeln Lüfte zieht’s
Wie himmlische Musik:

„Also hat Gott die Welt geliebt,
Daß er aus freiem Trieb
Uns feinen Sohn zum Heiland giebt,
Wie hat uns Gott so lieb!“

Karl Gerok, Der schönste Baum

Das Gedicht finden Sie im Buch der Weihnachtsgedichte oder auch hier
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