Das Heidenmädchen

Das Heidenmädchen von Achim von Arnim

Der Sohn des Himmels und der Erde
Sah, aus der Weihnacht Abendroth,
Ein schönes Kind bei einer Heerde,
Und keiner da Geschenke bot.

Der Glaube war noch nicht gedrungen
Zu diesen spät erschaffnen Aun,
Denn von den Felsen ganz umschlungen,
Konnt' wenig Sonne überschaun.

Doch freut die Kleine sich am Lichte,
Das neu durch Felsenschatten strahlt,
Sie hat so gar ein lieb Gesichte,
Ein edles Blut die Wangen malt.

Sie muß im Lichte zierlich springen
So glatt und weich schien ihr das Grün
Und zu dem holden Echo singen;
Der Herr will sie zum Glauben ziehn.

Es sprengt der Herr mit Strahlenzügen
Die Ziegen ihr weit auf den Fels,
Sie klettert sorgsam nach den Ziegen,
Er zeigt den Weg im Blick des Hells.

Hin über die bemoosten Platten
Sie wagt sich, schaut ein andres Land,
Da will ihr Herz vor Schreck ermatten,
Denn alles scheint vor ihr in Brand.

Da stehen tausend kleine Tische
Mit bunten Lichtern rings besteckt,
Und Brodt und Wein steht im Gemische,
Schön Meßgewand die Tische deckt.

Und statt der Puppen heilge Bilder
Bewohnen dieses Paradies,
Und Kinder ziehen sanft und milder
Und sehn wie dies so herrlich ließ.

Das Mädchen sieht's und meint ihr eigen,
Was ihr kein andrer wehren will,
Doch bald sich viele Knaben zeigen,
Die bitten drum in Demuth still.

Der eine will ihr Händchen küssen,
Dem wirft sie Aepfel ins Gesicht;
Der will sie schön mit Reden grüßen,
Dem hält sie in den Mund das Licht.

Doch einer kommt mit Witz zu streiten,
Da nimmt sie alle heilgen Bild',
Beginnt sie närrisch umzukleiden,
Verliert sie dann im Spiele wild.

Was so viel tausend Engel säten,
Zerstört das Kind aus Unverstand,
Warum viel fromme Kinder beten,
Geschenk des Herren ist ihr Tand.

Da kam der Herr zu ihr gegangen,
Als armes Kindlein angethan,
Und thät nach etwas nur verlangen,
Was sie verworfen und verthan.

Da fand sie leer die reichen Tische,
Die Lichter waren fast verbrannt,
Es dampften schon die Buxbaumbüsche, –
Noch fand sie was, das sie nicht kannt.

Es war die Ruthe, die verguldet
Mit leeren Nüssen ausgeziert,
Die giebt sie ihm so unverschuldet,
Dem Herren dem sie nicht gebührt.

Es nimmt der Herr die goldne Ruthe
Und zeigt sich, wie er einst erschien,
Gegeißelt, daß vom rothen Blute
Auf Erden rothe Rosen blühn.

Sein Haupt hängt schwach, er kanns nicht tragen,
Sein Blick ist jammervoll gesenkt,
Er spricht: »So willst auch Du mich schlagen,
Die ich so reichlich hab' beschenkt.«

Was sie verworfen und zertreten,
Sieht sie mit andern Augen an,
Des Herrn Geschenk in den Geräthen
Zeigt sich im einfach tiefen Plan.

Im Wein, im Brod sein Angedenken
Und seiner Mutter heilig Bild,
Sie muß den Blick zur Erde senken,
Manch heilig Bild dort auf sie schilt.

Sie schauet rings zu ihren Füßen
Sein kunstreich Werk, daß sie zertrat,
Zusammen hätte bleiben müssen,
Des Spieles Lust, der ernste Rath.

Des Buxbaums Flechtwerk war die Kirche,
Der glatte Fels war der Altar,
Doch öde steht nun das Gebirge,
Die Kirche ist verbrannt sogar.

Das Kind will nach den Gaben langen
Und sammeln, was es erst verwarf; –
Da wacht es auf und sieht mit Bangen
Sich ganz verschneiet, kalt und scharf.

Es kommt ein Tag, doch ohne Klarheit,
Die Kälte mit Entsetzen spricht:
Was du versäumet ist die Wahrheit,
Was du verspielet ist das Licht.

Achim von Arnim, Das Heidenmädchen

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